Ausschnitt Speisekarte Schloss Bebenhausen, Weiblen, 1895

Rehrücken und EierkuchenSpeisekarten für die königliche Tafel

Ein außergewöhnliches Zeugnis der kulinarischen Genüsse in Schloss Bebenhausen geben die Speisekarten ab, die König Wilhelm II. während der Jagdsaison für seine Gäste anfertigen ließ. Die Tafeln waren stets reich gedeckt und schon zum Frühstück gab es Wild.

Jagdtage mit prominenten Gästen

Wie schon seine Vorgänger veranstaltete König Wilhelm II. gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Charlotte regelmäßig Jagdtage im Schönbuch. Die zweiwöchigen Jagden fanden im Spätherbst zur Brunftzeit der Hirsche statt. Während dieser Zeit gaben sich verschiedene Gäste die Klinke in die Hand: die königliche Verwandtschaft, befreundete Adlige, Offiziere sowie hochgestellte Persönlichkeiten des Landes. Der wohl prominenteste Gast war Kaiser Wilhelm II., der 1893 an der Jagd in Bebenhausen teilnahm.

Wildschweinjagd, Detail Wandmalerei Winterrefektorium Kloster Bebenhausen
Bebenhausen, Besucher im Blauen Saal

Das Königspaar veranstaltete Jagdtage auf Bebenhausen, die abends mit festlichen Essen in geselliger Runde ausklangen.

Speisekarte aus Schloss Bebenhausen, Frühstück, 29. November 1906

Schon zum Frühstück stand Wild auf dem Speiseplan.

Deftiges Frühstück

Morgens, vor dem Aufbruch zur Jagd, wurde ein Frühstück eingenommen. Die Küche servierte mehrere Gänge mit unterschiedlichen Fleischsorten. Am 29. November 1906 etwa gab es geräucherten Lachs und Kartoffeln, Hühner mit Reis und gelben Rüben, Rehrücken mit Salat und Dunstobst, aufgezogenen Eierkuchen, Käse, Früchte und einen Nachtisch. Nach zwei bis drei Trieben versammelten sich die Jäger zu einem einfachen und informellen Imbiss, dem sogenannten Jagdfrühstück, zu dem Glühwein getrunken wurde.

Speisekarte aus Schloss Bebenhausen, Tafel, 28. November 1895

Am Abend wurde reichhaltig aufgetischt.

Die abendliche Tafel

Das Abendessen im Schloss stellte den kulinarischen Höhepunkt des Jagdtages dar. Die Menüs setzen sich aus drei Gängen zusammen. In der Regel wurden neun Einzelgerichte gereicht, begleitet von passenden Weinen. Das Menü vom 28. November 1895 sah für die Gäste vor: als Vorspeise Austern, Schwarzbrotsuppe und Seeforelle, als Hauptgang Englischen Braten, Chartreuse vom Fasan und Hirschkalbbraten mit Salat und Dunstobst, danach Himbeerhalbgefrorenes, Käse und Nachtisch.

Illustration zu „Das Menu“ von Ernst von Malortie, 1878

Ein Klassiker unter den Kochbüchern.

Orientiert an zeitgenössischen Rezeptbüchern

Bei der Ausarbeitung der Menüfolgen griffen die Stuttgarter Hofköche auf etablierte Rezeptbücher zurück, wie „Das Menu“ von Ernst von Malortie, veröffentlicht 1878. Das Werk des Oberhofmarschalls vom königlichen Hof in Hannover gilt als Standardwerk der Kochkunst im 19. Jahrhundert. Genauso einflussreich war das 1858 erschienene Kochbuch von Johann Rottenhöfer: „Anweisung in der feinen Kochkunst mit besonderer Berücksichtigung der herrschaftlichen Küche“. Es wurde bis zum Ersten Weltkrieg mehrfach aufgelegt.

Frühstückskarte von Schloss Bebenhausen, Detail Illustration

Jagdmotive auf den Speisekarten, wie der röhrende Hirsch, stimmten auf das Essen ein.

Aus der Hofdruckerei

Die Menükarten haben sich im Nachlass von Otto Lanz, dem letzten Königlich-Württembergischen Hofjagdinspektor, erhalten. Er war der einzige bürgerliche Duzfreund des Königs und ging häufig mit ihm auf die Jagd. Die Karten wurden in der Stuttgarter Hofdruckerei gefertigt. Zu sehen sind eine Ansicht des Schlosses und röhrenden Hirsche. Vor Ort schrieb der Bebenhausener Schulleiter Weiblen, der seit 1898 königlicher Hofkalligraph war, die aktuelle Menüfolge von Hand in die vorgedruckten Karten.

Unsere heutige Tischkultur ist durch eine weit zurückreichende Tradition noch immer tief in der Geschichte verwurzelt. Das Themenportal „Von Tisch und Tafel“ begleitet auf eine kulinarische Reise durch die Kulturgeschichte rund um die Gaumenfreuden von der Antike bis in die Gegenwart.

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