FROMMES DENKEN UND HANDELN
Geboren 1586 als Pfarrerssohn in Herrenberg, kam Johann Valentin Andreae nach Studium in Tübingen und Wanderjahren 1620 als Spezialsuperintendent nach Calw. Der hoch gebildete Calvinist schrieb durch seine sozialen Taten Stadtgeschichte. Calw, damals halb so groß wie Stuttgart, war durch seine florierende Wollproduktion eine der wirtschaftlich bedeutendsten Städte. Andreae setzte sich für die Bedürftigen ein, die im Schatten des Aufschwungs lebten: Er überzeugte viele der reichen Calwer Handelsherren, Arme, Kranke und Kinder in der Stadt zu unterstützen.
CHRISTLICHE UTOPIE
Als Andreaes bedeutendstes Werk gilt seine Utopie „Christianopolis“ (1619), in der er eine protestantische Idealgesellschaft entwirft. Ihre Verfassung gründet auf Gottesfurcht, in der Kirche werden belehrende Schauspiele aufgeführt, Luxus und aufwendige Kleider sind verpönt. Andreae gilt auch als Schöpfer des Mythos um den Rosenkreuzer-Orden mit seinem fiktiven Gründer Christian Rosencreutz. In der Forschung wird diskutiert, dass er zwar zum Mythos um den Rosenkreuzer-Orden beitrug, doch die Utopie nicht als Programm zu verstehen sei. Später distanzierte sich Andreae von seinem Werk.
REFORMATION DER SCHULBILDUNG
1638 wurde Andreae in die württembergische Kirchenleitung berufen und zum Hofprediger in Stuttgart ernannt. Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges baute er die kirchliche Ordnung und das Schulwesen in Württemberg wieder auf. Mit der Großen württembergischen Kirchenordnung von 1559 hatte Herzog Christoph eine Schulpflicht festgelegt, die allerdings nur den männlichen Teil der Bevölkerung betraf. Erst Andreae erließ 1645 die Anordnung zur allgemeinen Schulpflicht in Württemberg – als erstem Land in Europa!
ALS ABT IN BEBENHAUSEN
Zermürbt vom Widerstand des Klerus und des Adels gegen seine strenge Auslegung des Christentums und die sozialen Reformen, die er anstrebte, ersuchte Andreae 1646 um seinen Abschied von der Kirchenleitung, der ihm 1650 gewährt wurde. Im selben Jahr übernahm er als Generalsuperintendent und Abt im Kloster Bebenhausen die Leitung der dortigen Klosterschule. Hier war er mit deren Aufbau für 34 Schüler betraut. Ab 1654 sollte er die evangelische Klosterschule von Adelberg leiten, doch konnte er diese Stelle nicht mehr antreten. Am 27. Juni 1654 starb der schon länger kränkliche Johann Valentin Andreae im Alter von 67 Jahren in Stuttgart. Er wurde auf dem Friedhof der Hospitalkirche beigesetzt.
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