Dienstag, 27. Oktober 2020

Kloster und Schloss Bebenhausen | Allgemeines Spätherbst im Kloster: eine Spukgeschichte aus der Zeit von König Wilhelm II.

Eine schwarze Gestalt, die auf dem Gang des Dormitoriums von Kloster Bebenhausen schweigend entlangschreitet: Das erlebte ein Besucher im einstigen Schönbuchkloster in einer dunklen Herbstnacht vor 130 Jahren. Der preußische Diplomat Philipp zu Eulenburg war Gast bei einer der Jagdgesellschaften des württembergischen Königspaares Wilhelm II. und Charlotte von Württemberg – und machte aus seiner nächtlichen Begegnung eine Erzählung, die er in einem Buch veröffentlichte.

GEISTERERSCHEINUNG AM BEGINN DER MODERNE?

Ende Oktober, spätherbstliche Stimmung in den alten Mauern von Kloster Bebenhausen, der Schönbuch mit seinen weiten Wäldern nebelverhangen und düster, die Tage kurz: Kein Wunder, dass man sich in früheren Jahrhunderten oft Geschichten von Geistern und Spukerscheinungen erzählte. Wenn man allerdings in Kloster Bebenhausen eine mittelalterliche Gespenstergeschichte mit unglücklichen Mönchen erwartet, ist man auf der falschen Spur. Stattdessen führt der mysteriöse Spuk in die Epoche von Königin Charlotte und König Wilhelm II. – in die Zeit, in der das Jagdschloss das moderne Badezimmer der Königin erhielt und die bis heute beeindruckende Schlossküche mit Hightech der Zeit um 1900 eingerichtet wurde. 

 

NACHTS IM KLOSTER

Philipp zu Eulenburg, Gast bei einer Jagdgesellschaft des Königspaares in den 1890er-Jahren, war in einem der Gästezimmer im umgebauten Kloster untergebracht – wohl in den ehemaligen Mönchszellen des Dormitoriums. Der adelige Besuch hatte an der Jagd teilgenommen und wollte sich in der Dämmerung des düsteren Nachmittags ausruhen, bevor es an die königliche Tafel ging. Als er auf den Korridor trat, um seinen Diener zu rufen, sah er am Ende des Ganges eine schwarze Gestalt, die langsam auf ihn zugeschritten kam. Als moderner Mensch kam Philipp zu Eulenburg gar nicht auf die Idee, dass es sich um eine Geistererscheinung handeln könnte – zumindest behauptet er das in seiner Erzählung. Die Gestalt verschwand auch prompt wieder in einer der Türen, in nicht großer Entfernung, sobald der Diener auf den Gang trat. Nach der Erscheinung gefragt, bestätigte der Diener, dass er „einen schwarzgekleideten Menschen gesehen habe, doch sei dieser plötzlich verschwunden gewesen“.

 

DER UNHEIMLICHE GAST IM KLOSTER

Nach dem abendlichen Diner mit der Königin kam Philipp zu Eulenburg auf die Bewohner in den Gästezimmern zu sprechen und Charlotte von Württemberg verblüffte den Gast mit ihrer Geisterkenntnis: Die Gestalt sei wohl schwarz gekleidet gewesen? „Ich will Ihnen offen sagen, daß ich weiß, wen Sie gesehen haben.“ Und weiter: „Ich weiß eben nur, daß diese Gestalt vorhanden ist, denn ich sah sie öfters, sogar einmal mit meinem Bruder zusammen, denn sie trat in mein Zimmer, dort bei dem Gang, wo Sie wohnen, und verschwand plötzlich vor unseren Augen.“ Nach dem Bericht der Königin trug die Gestalt einen schwarzen Schleier vor dem Gesicht und war ansonsten wie ein Mönch gekleidet.

 

DER KÖNIG MAG DEN SPUK NICHT

Und was war mit der Zelle, in der der Spuk verschwunden war? „Nichts. Die Tür ist stets verschlossen. Altes Gerümpel liegt darin und einen Ausgang hat die Zelle nicht“, so Königin Charlotte. „Wir sind nicht die einzigen, die jene Gestalt sahen, und man hat Wache gestanden vor der verschlossenen Tür, bis eilig der Schlüssel geholt war. Aber man konnte natürlich nichts entdecken. Wir haben uns längst daran gewöhnt und niemand spricht jetzt mehr von der Gestalt. Sie ist uns gleichgültig geworden, da sie harmlos ist und nur hin und wieder das Gespräch sich ihr zuwendet. Aber der König liebt nicht, daß man davon spricht. Ich finde nichts dabei. Glauben oder Nichtglauben, darum handelt es sich, und jeder kann das halten, wie er mag.“

 

DER GRAF UND SCHRIFTSTELLER ZU EULENBURG

Die Erzählung, datiert auf das Jahr 1891, stammt von Philipp zu Eulenburg. Der Adelige und Diplomat gehörte zur unmittelbaren Umgebung des deutschen Kaisers Wilhelm II. Philipp Friedrich Alexander Graf zu Eulenburg (1847-1921) war außerdem als Schriftsteller und Dichter aktiv. Unter anderem berichtete er auch von seinen Besuchen in Württemberg, zuerst beim Königspaar Karl und Olga, dann beim Nachfolger Wilhelm II. und seiner Frau Charlotte, die der gleichen Generation wie Eulenburg angehörten. Das letzte württembergische Königspaar lud den preußischen Gast zur Jagd nach Bebenhausen ein. Für den kunstsinnigen Eulenburg war die Romantik im „uralten Kloster Bebenhausen“ durchaus präsent: Seine Schilderungen des höfischen Lebens der wilhelminischen Zeit in Bebenhausen spiegeln wider, wir sehr man vor etwa 130 Jahren schon die Stimmung in den alten Mauern genoss – und auch den ländlich-rustikalen Kontrast zur bereits präsenten Moderne in den Residenzstädten.

 

 

SERVICE UND INFORMATION

ÖFFNUNGSZEITEN

Kloster und Schloss Bebenhausen

Wie fast alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind Kloster und Schloss Bebenhausen wegen der stark ansteigenden Infektionszahlen der Corona-Pandemie wieder geschlossen.

 

INFORMATIONEN KLOSTER BEBENHAUSEN

Im Schloss
72074 Tübingen
Telefon +49(0)70 71. 6 02 - 8 02
info@kloster-bebenhausen.de

Download und Bilder